BIOGRAPHIE                    Erich Kissing
Erich Kissing wird am 27. September mit seiner Zwillingsschwester Anneliese in Leipzig geboren. Der Vater Erich K. (geb. 1909) arbeitet als Klempner, Heizer und in ähnlichen Berufen, die Mutter Dora K., geb. Seidel (geb. 1909) als Hausfrau. Drittes Kind ist der 1937 geborene Wolfgang. Von Kindheit an bis heute lebt und arbeitet Erich Kissing im 1935 erbauten elterlichen Haus (mit Garten) in Leipzig-Knautkleeberg, Frettchenweg 13. Besuch der Grundschule in Knautkleeberg, wo der Zeichenlehrer Dieter Mürmann sein Talent erkennt. Dann Privatunterricht beim Ehepaar Dr. Herbert Hauschild und Johanna Hauschild in Leipzig-Gohlis. Sieben Jahre lang, von Februar 1958 bis 1964, erfährt er im wöchentlichen Abendunterricht (2x3 Stunden für 20 Mark im Monat) zusammen mit anderen Privatschülern der Hauschilds die für ihn entscheidende Schulung genauer zeichnerischer Wirklichkeitsbeobachtung (auch Aquarell) nach der Natur und dem lebenden Modell. Besuch der Mitteschule in Leipzig-Kleinzschocher mit Abschluß der 10. Klasse. Er hat nicht den Ehrgeiz, Künstler zu werden, wünscht aber einen Beruf, der mit Zeichnen zu tun hat. Vermittelt durch Dr. Hauschild Lehre als Offsetretuscheur bei Meißner & Buch in Leipzig mit Berufsschulausbildung in der BBS „Otto Grotewohl“ am Gutenbergplatz (u.a. Linearperspektive bei Lehrer Ihme). Zur Vervollkommnung seiner zeichnerischen Kenntnisse besucht er neben dem Hauschildschen Unterricht vom Herbst 1961 bis Frühjahr 1964 die Abendakademie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Seine Lehrer sind Rolf Kuhrt, Walter Münze und Karl Krug (Radierung). Nach der Facharbeiterprüfung tätig als Offsetretuscheur bei Meißner & Buch, in der Freizeit aber bei jeder Gelegenheit Zeichnen nach der Natur: Menschen auf Hauptbahnhof und Kleinmesse, Dörfer und Landschaften auf Radtouren um Leipzig oder 1963 auf einer Harzreise. Rolf Kuhrt ermuntert den Zögernden, sich zum Studium an der Leipziger Kunsthochschule zu bewerben. Im Frühjahr 1964 legt er seine Studienmappe vor und besteht die Aufnahmeprüfung. Noch vor Studienantritt muss er seiner anderthalbjährlichen Wehrpflicht genügen. Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig mit den Etappen: Absolvierung des künstlerischen Grundstudiums, zunächst ein Jahr beim damaligen Dozenten Werner Tübke, der ihn maßgeblich beeinflusst. Tübke „drillt“ zeichnerische Exaktheit, macht mit Farbperspektive und Lasurtechnik bekannt, öffnet ihm die Augen für Vorbildhaftes von der Renaissance bis zum Surrealismus und gibt ihm durch sein Beispiel die Gewissheit, dass „man auch mit spitzem Pinsel alles sagen kann“. Im Frühjahr 1966 erstes Praktikum in Zingst/Ostsee, im Sommer die erste Auslandreise nach Budapest. Fortsetzung der Grundsausbildung bei Prof. Hans Mayer-Foreyt, der ihm besonders Kenntnisse der Komposition vermittelt.
Frühjahr/Sommer 1967 zweites Praktikum in Feldberg/Mecklenburg und zweite Ungarn-Reise nach Mohács an der Donau, um ländlich-ursprüngliches Leben zu studieren. Absolvierung der Fachklasse angewandte Graphik, zunächst ein Jahr bei Prof. Wolfgang Mattheuer, danach bei Gerhard Brose. Er hatte diese Fachklasse gewählt, um nicht in der Malerei mit der ihm völlig entgegengesetzten expressiven, ungestümen Art Bernhard Heisigs konfrontiert zu werden. Im Grunde ist er in der Zeit schon ein fertiger, dem auch die spezifischen Anforderungen der angewandten Graphik nicht mehr viel zu geben vermögen. 1968 beginnt er mit dem kalendarischen Gemäldezyklus „Vom Fliegen“. 1968-1970 leistet er seine letzten Praktika in Barth, respektive Stralsund in der Nähe des von ihm geliebten Seemotivs und im Sommer 1968 hat er im Kaukasus (Studentenaustausch) das andere prägende Erlebnis des Hochgebirges. Im Sommer 1970 reicht er zum Diplom für angewandte Graphik einige Gemälde „Vom Fliegen“ und Ornamententwürfe ein und erhält die Note „gut“. Arbeit als freischaffender Künstler in Leipzig-Knautkleeberg in einem vom Vater extra umgebauten winzigen „Gartenatelier“. Hier entsteht über Jahrzehnte in stiller Abgeschiedenheit, Bedürfnislosigkeit und bar jeden Ehrgeizes nach äußerer Wirksamkeit, nach Ehrungen, Ämtern, Bindungen aller Art und selbst nach Verkäufen sein eigentliches Werk, während er sein Brot mit jeweils etwa vierteljährlichen grafischen Übertragungsarbeiten zur Leipziger Messe verdient. Dennoch ist er kein einsiedlerischer Sonderling, sondern ein zur Welt, zur Lebensfreude und zum Freundeskreis (Egbert Herfurth, Georg Brendler, Wolfram Ebersbach, Günter Glombitza † u.a. m.) offener Mensch, in dessen realer und phantastischer Bildwelt weniger die Zeitereignisse als untergründigen Zeitstimmungen reflektiert werden. Ohne jemals künstlerisch Kompromisse zu machen, getrieben von der Sehnsucht nach einem immer neuen Dahinter in der Realität und dem Willen, die Grenzen seiner selbst wie ein Bergsteiger zu erkunden, aber ungeheuer sicher in sich selbst ruhend, vollzieht sich scheinbar wenig ereignisreich seine weitere Biographie. Reise nach Göhren auf Rügen (Landschaftszeichnungen) und Beginn der fast ein Jahrzehnt währenden Arbeit an dem großen Freundschaftsbild seiner Generation „Leipziger am Meer“. Erste Reise nach Rumänien in die touristisch noch unerschlossenen Karpaten. Die fremde Bergwelt mit dem dort lebenden schlichten, gastfreundlichen Hirten- und Bauernvolk beeindruckt ihn so, dass er sie noch nicht zeichnen kann.
Er kann nur ins Bild bauen, was er erlebend versteht. Daher sind eigene Fotografien niemals der Ausgangspunkt seiner Arbeiten gewesen.
Erste Ausstellungsbeteiligungen in Leipzig (8. Bezirkskunstausstellung der DDR). Er ist seitdem (bis 1989) regelmäßig auf Leipziger Regionalschauen vertreten, beteiligt sich aber selten an DDR-nationalen Expositionen. Erste Personalausstellung im Studiensaal der Graphischen Sammlungen des Museums der bildenden Künste Leipzig, die seine früh erreichte Sonderstellung charakterisiert. Zweite Reise in die rumänischen Karpaten (zusammen mit Wolfram Ebersbach), erste Zeichnungen entstehen, die wenig später in seinen frühesten Gebirgs-Gemälden („Trüber Tag“, 1975/76) ihren Niederschlag finden. Reise an die Ostseeküste nach Rügen, skizziert Landschaften, die er fünf Jahre später in einer Folge großformatiger, selbständiger Zeichnungen verarbeitet („Ostseeküste I-VII“). Erste Teilnahme an einer Auslandsausstellung Leipziger Künstler in Frankreich, der später gelegentlich weitere folgen, z.B.: 1976 „Leipziger Künstler in Kiew“. Dritte Reise in die rumänischen Karpaten. Mit dem Gemälde „Am Strand“ schließt er die 1968 begonnene 13-Bilder-Folge „Vom Fliegen“ ab, ohne dass ihn aber das Thema bis heute wieder loslässt.

1979
Vierte Reise nach Rumänien, zahlreiche Studienzeichnungen. Nach der Beendigung des Großgemäldes „Leipziger am Meer“ beginnt mit der „Belebten Wiese I“ die Reihe seiner privatmythologischen Phantasiegemälde zu dem Thema Menschen und Monster.

Reise an die Ostsee nach Saßnitz auf Rügen. Die erste Ölkrise gibt den Impuls zum großen Sinnbild „Entwurf für ein Denkmal“, das er binnen zweier Jahre (bis 1982) beendet. Reise an die Ostsee auf die Insel Poel. Zeichnungen vom Strand, die vorerst – wie oft bei ihm – noch jahrelang bis zur Gemäldeumsetzung liegen bleiben (hier zum Bild „Ostseeküste“ von 1987/88). In der Folgezeit haben bis 1984 seine „monumentalen“ Phantasiemotive den Vorrang (Zureiten, 1982/84; Ruhige See, 1983; Luftschiff EK-83, 1983), während von 1985-1987 Porträt und Landschaft bestimmend sind. Erstes Wandbild zum Thema Fliegen (6 x 22 m) an einer Turnhalle in Chemnitz, das er nach seinem Entwurf zusammen mit Wolfram Ebersbach und Dietrich Wenzel ausführt. Das deutsche Schicksalsjahr, in dem er eines seiner Schlüsselbilder mit den Erdkoordinaten Leipzigs („51°21’N12°E“) vollendet, bedeutet keinen Einschnitt im in sich geschlossenen Schaffensweg. Doch scheidet mit dem Auftraggeber Messe ein bis dahin existenzsichernder Faktor aus. Andererseits belebt sich seitdem die künstlerische Produktion nicht nur mit Varianten-Gemälden (Belebte Wiese II, 1990; Am Stadtrand von Leipzig II, 1991/92) und Zunahme des Phantastischen, sondern erfährt erstmals eine breitere Beachtung. Die zweite Personalausstellung „Cimpu lui Neag. Erich Kissing, Fotografien und Zeichnungen“ findet im Lindenau-Museum Altenburg statt. Dritte Personalausstellung mit den Bildern „Vom Fliegen“ in der Lounge des Flugplatzes Leipzig-Halle. Die Dresdner Bank Leipzig gibt für 1992 den ersten großen Werbekalender „Erich Kissing, vom Fliegen“ heraus. Es erscheint der zweite Kissing-Kalender (für 1993) von der Dresdner Bank Leipzig als Präludium der Gesamtschau des Künstlers zu seinem 50. Geburtstag.
 
 

AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE